BRAVO
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BLONDIE: Nach der Show mit dem Panzer zur Party
An zwei Abenden riß Debbie Harry in Los Angeles das Publikum mit ihrem heißen Bühnen-Act zu Beifallsstürmen hin. Danach wurde es noch irrer: Nach dem Konzert rollte die ganze Gruppe auf einem echten Panzerwagen nachts um eins zum Beverly Drive. Dort stieg die Hollywood-Party des Jahres.
Blättert um…
Fortsetzung von Seite 35
SUPER-POSTER-STORY
Wie Blondie das Tagesgespräch von Hollywood wurden
Die wenigen Passanten, die zu dieser Zeit noch auf der Straße waren, trauten ihren Augen nicht: Oben auf dem echten Sherman-Panzer der US-Armee, der über den Wilshire Boulevard rollte, saßen eine platinblonde Schönheit und fünf in Schwarz gekleidete Männer. Es war die Gruppe Blondie auf dem Weg zu ihrer großen Tournee-Abschlußparty…
Der Panzer bog nach rechts in den Beverly Drive ein und hielt schließlich vor Fiorucci, einer ebenso verrückten wie schicken Boutique, die in einem alten ehemaligen Kino eingerichtet worden ist. Hier sollte die große Blondie-Party stattfinden. Hunderte von Fans, die draußen warteten, brachen in Jubel aus, als der Panzer sich näherte und die Gruppe ihnen vom Panzer-Turm aus zuwinkte. Als die sechs dann vom Kettenfahrzeug kletterten, wurde die Menge wild. Alles stürzte nach vorne, um Blondie zu begrüßen. Dutzende von Polizisten und Leibwächtern hatten alle Hände voll zu tun, um der Gruppe eine Gasse durch die Menschenmenge zu bahnen.
850 Einladungen waren zur Party verschickt worden. Doch bereits als 700 Gäste in das ehemalige Kino geströmt waren, schloß die Feuerbehörde die Türen. Von jetzt an wurde ein neuer Gast nur noch hereingelassen, wenn ein anderer die Party verließ. So kam es, daß viele mit langen Gesichtern draußen bleiben mußten…
Zehn “Gorillas” schützten Debbie
Innen hatte sich ein bunter Gäste-Zirkus angesammelt. “Das ist ja die Punk-Party des Jahres”, staunteSängerFrankieValli, dersich am Eingang aufgebaut hatte und die Parade der kostümierten Gäste mit großen Augen beobachtete. Besonders die Mädchen übertrafen sich in modischer Aufmachung – knallbunt, sehr schick, sehr sexy, alles sehr typisch Beverly Hills. Viele Prominente waren auf der Party – Dan Haggerty (“Der Mann aus den Bergen”), Kristy McNichol, Tanya Tucker, der riesige Basket-ballspieler Wilt Chamberlain, der alle Gäste überragte, und natürlich auch Produzent Mike Chapman, dem Blondie den Superhit “Heart of Glass” verdanken.
Blondies Ankunft wurde zum Tumult. Gäste drängten sich nach vorne, Fotografen schoben sich beiseite und stolperten übereinander, um ein gutes Foto von Debbie zu bekommen. Die Gruppe, umringt von zehn Leibwächtern, schob sich langsam zur Bühne vor, wo das Büfett aufgebaut war. Debbie war bester Laune, sie begrüße und umarmte alte Freunde und redete mit allen möglichen Gästen, bevor sie sich mit ihren fünf Musikern zu einem späten Abendessen (oder sehr frühem Frühstück) in einer Ecke zusammensetzte.
Eine spanische Tanzgruppe führte dann einen Party-Tanz aus Sevilla auf – aber auch das konnte die dufte Stimmung auf der Party nicht mindern. Die Leibwächter ließen die Gruppe nicht aus den Augen. Sogar als Debbie auf die Damentoiette mußte, wurde sie von dreien begleitet, die sich drohend vor der Tür aufbauten.
Debbie blieb etwa eine Stunde, dann verschwand sie mit Chris in ihrer Limousine und fuhr ins Hotel zurück. Der Rest der Gruppe blieb etwas länger. Die Fiorucci-Party hat Blondies Plattengesellschaft die Kleinigkeit von 35 000 Dollar gekostet. Das ist bei der gegenwärtigen finanziellen Krise der Platten-Industrie in den USA schon ein kleines Wunder. So meinte auch ein Gast wehmütig: “Es sieht so aus, als ob dies die letzte große Rock’n’Roll-Party gewesen ist. Doch sein Nachbar antwortete: “Glücklicherweise. Noch so eine irre Party überlebe ich nicht.”
Der ganze Abend stand unter dem Motto “Blondie attacks Beverly Hills” (Blondie attackiert B. H.). DieAttackewar gelungen: Am nächsten Tag war die große Blondie-Party das Tagesgespräch von Los Angeles.
Dieser Tag – es war der Tag von Blondies erstem Auftritt im Greek Theater von Los Angeles – war für die Gruppe ganz schön anstrengend gewesen. Denn schon zwei Stunden vor ihrem Konzert hatte es im Gästeraum des Greek Theaters eine Cocktail-Party zu Ehren von Blondie gegeben. Den staunenden Ehrengästen wurde die stattliche Sammlung von Platin- und Goldenen Schallplatten der Gruppe präsentiert: Es sind insgesamt 40 aus aller Welt. Eine ganze Wand des Raums war mit den glänzenden Scheiben tapeziert. Unter den Gästen war auch die ältliche Schauspielerin Penny Singleton, die in den 40er Jahren die Comic-Figur Blondie in ein paar Hollywood-Filmen gespielt hatte. “Gentlemen bevorzugen Blondinen”, schrie sie, als Debbie auf die Ehrentribüne vor ihre goldenen Platten stieg. “Na klar”, antwortete Debbie nur.
Los Angeles war mit zwei Konzerten die vorletzte Station von Blondies US-Tournee. Die Tournee endete am Tag darauf (18. 8.) in Chicago bei einem großen Open Air Festival. Anderthalb Monate lang waren Blondie unterwegs, über 30 Konzerte hat die Gruppe hinter sich.
Sogar im Spielerparadies Las Vegas hatten sie einen Auftritt – und zwar nur deshalb, weil sich die Gruppe ein paar Tage in Las Vegas erholen wollte, denn sie alle lieben diese Stadt. Normalerweise ist das Publikum von Vegas genau das Gegenteil von einem Blondie-Publikum: Es sind meist ältere Ehepaare aus der US-Provinz. Dennoch war das Publikum im Aladdin-Hotel von Blondie und natürlich vor allem von sexy Debbie hellauf begeistert.
Höhepunkt der Tournee war aber das Finale in Los Angeles. Beide Shows im Greek, einem Freiluft-Theater im Griffith Park, waren schon seit langem ausverkauft.
Debbie stürmte in einem engen zitronengelben Trikot auf die Bühne; darüber trug sie eine lachsfarbene Glitzer-Tunika. Höhepunkte ihrer Show waren natürlich ihre beiden Hits in den USA “Heart of Glass” und “One Way or Another”, bei denen das ganze Greek Theater ins Toben geriet. Doch auch ihr “Sunday Girl”, das sie am Bühnenrand sitzend sang, begeisterte alle.
Während der Show kündigte Debbie schon ihre neue LP an: “Sie wird heißen ‘Eat to the Beat’ (Essen nach dem Taktschlag), denn genauso sah unser Leben in den letzten Monaten aus. Wir waren ständig auf Achse, und wenn wir mal ein paar Tage frei hatten, hetzten wir sofort wieder ins Plattenstudio, um an der LP weiterzuarbeiten.” Jetzt haben Blondie erst einmal eine wohlverdiente Pause in ihrer Heimatstadt New York. Denn die neue LP braucht nur noch ein paar “Schönheits-Operationen” musikalischer Art, bevor sie im herbst auf den Markt kommt…
Jürgen Tiedt
Fotos: Mayer, LFI