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Rocky

26th April 1979

Eine US-Tour bedeutet für jede Gruppe irren Streß. Aber das ROCKY-Exklusivinterview beweist, daß Blondie trotz viel ,,Trouble” sehr gut drauf ist Debbie Harry von Blondie:
“JEDER AUFTRITT MACHT MICH AN!”

Written by: Karin Davison

Kaum zu glauben, wie Blondie plötzlich loslegt: Ihre Single ,,Heart of Glass” führte wochenlang bei uns die Hitparaden an, das Album ,,Parallel Lines” ist unter den ersten zehn in den LP-Charts, und um die Erfolge weiter anzukurbeln, haben Debbie Harry & Co. in den letzten Wochen hart gearbeitet – härter als jemals zuvor.
Allerdings: Was die Action in Amerika betrifft, ist die Gruppe nach wie vor geteilter Meinung. ,,Das ist ein ver dammter Mist!” flucht Keyboardmann Jimmy Destri beim ROCKY-Interview in New York. ,,Ich finde es läppisch, daß wir jetzt unbedingt auch in Amerika groß rauskommen müssen. Wir verdienen mit unseren Scheiben schon genügend Geld für unsere Plattenfirma. Also sollten wir wenigstens musikalisch machen können, was uns paßt, statt uns diesen amerikanischen Erfolgstrip aufbrummen zu lassen. “Damit spielt Jimmy auf das letzte Album an, das im Gegensatz zu den ersten LP-Veröffentlichungen sehr kommerziell geworden ist. Schwenkt Blondie jetzt ins Discolager ein? Ist Debbie der Humor ausgegangen?
,,Keine Bange”, meint Debbie, ,,die nächste LP wird wieder witziger. Aber es ist nicht immer einfach, in diesem Busineß und bei dem Druck, dem wir ausgesetzt sind, den Humor zu bewahren.”
Bei den seltsamen Praktiken ihres Managements ist Blondie das Lachen schon manchmal vergangen. Debbie: ,,Wir haben uns in den letzten drei Jahren mit vielen fetten Eierköpfen abgeben müssen. Im Rockgeschäft gibt es die schlimmsten Haie. Als junger, unerfahrener Künstler bist du den Gangstern hilflos ausgeliefert. Wir sind schon unglaublich verscheißert worden. Überall lauern diese Typen – wie die Klapperschlangen, die dich mit einem Biß erledigen wollen.”

,,Jimmy jobbte früher in einer Unfallstation. Jetzt verteilt er Vitamine”

Aber jetzt ist Blondie stark genug, zurückzubeißen. Und seit sie das auch tut, macht es der Gruppe wieder Spaß. ,,Natürlich ist der Streß und das ganze Drumherum zum Kotzen!” erklärt Debbie. ,,Mein Privatleben ist total im Eimer. Ich kann noch nicht einmal bei Bloomingdale’s einkaufen, ohne dauernd angequatscht zu werden. Aber die Konzerte sind fantastisch. Jeder Auftritt macht mich an. Nach dem »Gig« bin ich meist so aufgeregt, daß ich überhaupt nicht schlafen kann. Oder ich träume von einer riesigen Show, und wenn ich dann morgens oder mitten in der Nacht aufwache, bin ich wie elektrisiert. Die Show, das ist für mich wie eine Sucht.”
Wenn sich Sexy-Debbie auf der Bühne produziert, dann macht sie auch das Publikum-und besonders die Typenganz schön an ,,An der Sache mit dem Sexsymbol ist schon was dran”, grinst sie. ,,Ich habe schon als Elfjährige wie ein Magnet die Typen angezogen.”
Aber die herausfordernde, musikalisch aggressive Debbie hat einen weichen Kern: ,,Ich kriege immer eine rote Birne, wenn einer eine anzügliche Bemerkung macht.” Unverschämte Sprüche sind etwas, woran sie sich noch gewöhnen muß. Genau wie sich ihre Bandmitglieder damit abfinden mußten, daß Debbie der Blickfang von Blondie ist. ,,Sie kann ihren Egotrip gerne weiter durchziehen”, meint Clem gelassen. ,,Solange wir die Dollars kriegen, ist uns das scheißegal!”
,,Wenn bei Clem die kasse stimmt, macht der einfach alles”, kontert Debbie. ,,Aber bei uns geht’s irre demokratisch zu. Wir komponieren alle. Nur, was mich direkt angeht, entscheide ich alleine. Ich lasse mich nicht als »Mutter der kompanie« verschleißen!”

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