Rocky
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LIVE REPORT
BLONDIE
Nostalgie-Rock aus Manhattan
Aus München berichtet Mary Keller
Nicht alles, was zur “New Wave” (Neue Welle) gezählt wird, ist gleich Punk. Mit dieser Tatsache mußten sich nach dem “Blondie”-Konzert im Münchner Rock-Tempel “Down Town” alle diejenigen abfinden, die vielleicht “richtigen” Punk erleben wollten. Es war alles ein bißchen anders.
Schon optisch mußte es für diese eine Enttäuschung werden. Denn wie boshaft man auch immer sein will – “Blondies” Lead-Sängerin Debbie Harry ist trotz Horror-Bemalung und Guerilla-Look nun wirklich nicht so häßlich wie Johnny Rotten und Company. Wenn der scharfe Rock-Zahn aus Manhattan mit ekstatischen Bewegungen und leicht angerauhter Stimme losfetzt, gibt es kaum noch jemanden im Publikum, dem kein angenehmer Schauer über den Rücken rieselt. Wem ist das schon mal bei den Stranglers oder Sex Pistols passiert? Musikalisch sehen sich “Blondie” als progressive Rock-Pop-Band, die ihre Vorbilder in den Pop-Größen der 60er Jahre finden (Shangrilas und Sam The Sham). Das zeigt sich nicht nur bei dem alten Stones-Titel “My Obsession”, sondern vor allem bei eigenen Titeln wie “Look Good In Blue” und “Shark In Jets Clothing”, die Keyboard-Mann Jimmy Destri zur “Blondie”-LP beisteuerte.
Neben Debbies Sexy-Stimme sorgt vor allem Destri, der nach eigener Aussage “ein fast sexuelles Verhältnis” zu seiner Farfisa-Or-gel hat, für den unverkennbaren harten “Blondie”-Sound. Ganz im Sinne von Gitarrist Chris Stein, Debbies Freund, der vor knapp zwei Jahren gemeinsam mit ihr die Band gründete. Er hat eine Vorliebe für kommerzielle “easy listening music” und schrieb u. a. Songs wie “Rifle Range”, “In The Sun”. Er half Debbie auch bei den kompositionen zu “Little Girls Lies”, “Kung Fu Girl” und “X-Offender”, der ersten “Blondie”-Single.
Schlagzeuger Clem Burke trommelte zwar nur – aber strekkenweise hört er sich an, als spiele er auf überdimensionalen Blechbüchsen.
Kurz vor ihrer ausgedehnten Europa-Tournee ersetzte die Truppe noch Baß-Gitarrist Gary Valentine durch Frank Infante. Musikalisch sicher eine Bereicherung.